Für einen Krimiautor ist das Thema dieses Anlasses natürlich ein gefundenes Fressen. Kurzer Prozess! Abgekürzte Verfahren. Rasche Lösungen. Tödliche Beschleunigung. Krimiautoren lieben kurze Prozesse – und den schnellen Erfolg. Wie man solchen erreicht, sei hier kurz geschildert ...

Beginnen wir mit dem Wesentlichen: Wer Krimis schreibt, weiss, dass er ein paar Leichen braucht. Da gibt es kein Entrinnen, ein paar Tote müssen einfach sein - das Leben der Leser ist schliesslich öd genug.

Aber Achtung! Nicht zu wenige Opfer und nicht zu viele! Als ideal haben sich über die Jahre hinweg zwei bis neun Tote pro Krimi erwiesen. Sind es mehr, heisst es, man sei blutrünstig. Sind es weniger, wird behauptet, man schriebe Literatur ...

Wie auch immer. Leichen müssen her. Leute, denen das Lebenslichtlein ausgeblasen wird, die dem Leben vorzeitig vom Karren fallen, die unverhofft vor den Sensenmann geraten. Kurzum: Gestalten, mit denen kurzer Prozess gemacht wird.

Wobei die Frage nach der Dauer des Prozesses, der zur Tötung führt, natürlich berechtigt ist. Ein wirklich gelungener Mord etwa setzt bekanntlich Absicht und Planung voraus. Die Idee zur Tat muss keimen, reifen, gären und dann nach und nach ihrer Realisierung nähergebracht werden.  Zweifellos ein längerer Prozess also. Nur schlichte Gemüter machen kurzen Prozess mit ihren Opfern und erfüllen so wohl eher den Tatbestand des Totschlags. Die Krimileser und Innen möchten aber schon etwas Raffinesse vorgesetzt bekommen.

 

Es muss definitiv Mord sein. Am besten einer mit einem Motiv. Es reicht nicht, dass die Opfer allein deshalb abgeschlachtet werden, damit endlich mal was läuft in der Vorstadt. Der Leser, die Leserin fordert Gründe - , auslösende Momente, die den Prozess der Tötungsidee im Kopf des Übeltäters erst in Gang setzen.

Ein plausibles Motiv ist also ein Muss.

Allzu lange danach fahnden muss der Krimischreiber allerdings nicht:

Die Geschichte zeigt nämlich, dass es in der Geschichte des Kriminalromans letztlich nur sechs verschiedene Mordmotive und deren Abwandlungen gibt. Es sind dies:

Morde aus Geldgier, Morde aus Leidenschaft, Morde aus Langeweile, Morde aus Drogenmangel, Morde aus Fernsehwerbungsüberdruss und Morde aus Spass.

Letztlich geht es Mördern einfach darum, unbefriedigenden Lebenssituationen ein Ende zu setzen. Klar, manche mögen denken, dass auch eine Mediation, eine Psychotherapie oder ein Tantra-Wochenende die Wende im Leben bringen könnte. Nicht so die Mörder in Kriminalromanen: sie bevorzugen Feuer-, Stich- oder Giftwaffen, um neuen Schwung in ihr Dasein zu bringen -  und wer die Alternativen kennt, kann es ihnen glaube ich, nachsehen. Manchmal muss einfach jemand über die Klippe springen. Beziehungsweise über die Klippe gestossen werden.

Der Weg zum Abgrund kann im wirklichen Leben kurz oder lang sein. Im Krimi muss er lang sein. Auch wenn für die aufzuklärende Tat selbst dann in aller Regel ein paar Sekunden ausreichen.

 

Hat der Krimiautor die nötigen Leichen und das Motiv endlich zusammen, kleistert er sich als nächstes eine Kommissarfigur zusammen. Eine sympathische, zugkräftige Person vom Typus kantig, aber gütig. Das kann ein Polizist sein, aber auch eine Anwältin, ein Bibelforscher, eine pensionierte Pathologin oder der jüngste Erbe eines Sargschreinerimperiums - Hauptsache jemand mit einer gewissen Nähe zur faszinierenden Welt des Verbrechens.

Ziel und Zweck der Kommissarfigur ist es, die Übeltäter im Buch in den Selbstmord zu treiben, sie selbst niederzuballern oder sie ihrem wohlverdienten Gerichtsprozess zuzuführen.

Hauptsache, die armen Toten sind gesühnt und die Welt ist wieder heil und in Ordnung.

 

Bis die Täter erledigt sind, wollen die Leser und Innen allerdings auch noch unterhalten werden. Niemand will kurzen Prozess mit unserer Mordgeschichte machen und das Werk in einer halben Stunde runterlesen. Nicht für den Preis, den ein Buch heutzutage kostet. Der Schreiberling muss den Leseprozess also künstlich in die Länge ziehen.

Deshalb verleiht er seiner Hauptfigur ein paar Macken, ein ausgefallenes Hobby und ein unübersehbar kompliziertes Privatleben.

Daher lässt er sein Buch an interessanten Schauplätzen spielen.

Darum bastelt er sich noch schnell ein paar Nebenfiguren, wobei er sich ganz unaufgeregt in seinem Bekanntenkreis bedient. Da macht er dann wirklich kurzen Prozess! Er wirft Charaktereigenschaften und Gesichtszüge aller Bekannten in einen großen Topf, schüttelt ihn dreimal kräftig durch und erhitzt ihn auf 669 Grad Fahrenheit. Anschliessend schöpft er aus der Brühe portionenweise seine Nebendarsteller ab und gruppiert sie flockig um die zentrale Heldenfigur. Er gibt den Komparsen Namen aus dem Telefonbuch oder der Zeitung von gestern. Die Verbrecher im Buch tauft er nach nervigen Bürokollegen oder verflossenen Liebschaften. Für ganz besonders heimtückische Bösewichte oder Ausländer greift er auf die Mannschaftsaufstellung des FC Basel zurück.

Leichen, Motiv, Kommissar, Nebenfiguren. Was fehlt denn noch? Ach ja, eine Handlung wäre nicht schlecht. Schön ist immer, wenn sie halbwegs realistisch ist. Die Geschichte der frustrierten Coiffeuse, die reihenweise zopftragende Werber skalpiert, ist es nicht unbedingt. Ebensowenig der blutige Rachefeldzug eines unverstandenen Wetterforschers, der eines Tages entdeckt, dass ihm nur die Motorsäge wirklich Wärme geben kann.

Der Leser steht auf Mordgeschichten aus dem wirklichen Leben. Auf solchen, die in ihm selbst herumgeistern. Nach einem weiteren frustrierenden Arbeitstag/Casinobesuch/ Fernsehabend/Beziehungsgespräch.

Wer hat noch nie taggeträumt, er könnte die schlimmsten, ihm bekannten Nervensägen einfach in die ewigen Jagdgründe blasen? Eben. Der wahre Grund, warum wir es in aller Regel dann doch sein lassen, ist, dass die Umsetzung der Träume eben in jeder Hinsicht lange, sehr lange Prozesse nach sich ziehen würde. Denkprozesse, Entscheidungsfindungsprozesse, möglicherweise Gerichtsprozesse.

Eine Schusswaffe, um im Augenblick grosser seelischer Entrüstung kurzen Prozess zu machen, haben wir im entscheidenden Moment ja leider nur selten zur Hand. Der kurze Prozess bleibt deshalb für die meisten von uns ein Traum. 

Entscheidet selbst, ob das nun gut oder schlecht ist und lest notfalls ein paar Krimis, um der Antwort näherzukommen!

Ich selbst widme mich jetzt wieder dem in einem langen Prozess herangereiften Rotwein!

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